Änderungsantrag zur Beschlussvorlage „Bürgerbegehren eXhaus bleibt!“ (407/2022)

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Leibe,

die Linksfraktion bittet Sie folgenden Ersetzungsantrag zu der Beschlussvorlage „Bürgerbegehren eX­haus bleibt“ auf die Tagesordnung aufzunehmen.

Antrag:

Der Stadtrat möge besschließen:

 

Das Bürgerbegehren „Exhaus bleibt!“ wird nach Anhörung der Vertreter:innen des Bürgerbegeh­rens gemäß § 17a GemO für zulässig erklärt.

 

Begründung:

Der Antrag erfüllt alle formalen und materiellen Voraussetzungen nach § 17a GemO. Der Stadtrat hält es für geboten, dass über eine solche wichtige Angelegenheit die Bürgerschaft im Rahmen eines Bür­gerentscheids entscheidet.

 

Die von dem Aktionsbündnis in Auftrag gegebene unabhängige juristische Prüfung durch das Institut für Kommunalpolitische Beratung und Bildung (IKBB) lässt folgerichtig keine andere Antragstellung zu. (vgl. Zusammenfassung)

 

Das Aktionsbündnis hat diese o.g. unabhängige externe juristische Expertise eingeholt, falls der Stadt­rat die juristische „Unzulässigkeit“ des Bürgerbegehrens beschließt, in dem Abwägungsprozess Klage gegen den Stadtrat zu erheben, auf eine unabhängige Expertise zurückgreifen kann.

 

Im Fall einer großen Risikobehaftung einer Klage gegen den Stadtrat, hätte das Aktionsbündnis auf eine Klage verzichtet und ein neues „Bürgerbegehren ExHaus bleibt“ gestartet.

 

Die dem Aktionsbündnis nun vorliegende unabhängige externe juristische Expertise lässt allerdings den Rückschluss zu, dass im Fall des Stadtratsbeschlusses, das Bürgerbegehren für „unzulässig“ zu er­klären, dieser Beschluss aller Voraussicht nach, zu einem Klageverfahren führen wird.

 

Nach eingehender mehrfacher gründlicher Befassung mit dem unabhängigen Rechtsgutachten des Ak­tionsbündnisses sowie der Einholung und Bewertung durch einen eigenen Juristen, folgt die Linksfrak­tion den Schlussfolgerungen des Aktionsbündnisses, dass das Bürgerbegehren zulässig ist.

 

Der Stadtratsbeschluss, das Bürgerbegehren für zulässig zu erklären, ist keine Entscheidung des Stadt­rates über das Sachanliegen.

 

Denn der Beschluss „Zulässigkeit“ führt zu einer erneuten Abstimmung im Stadtrat über das Sachan­liegen (Bürgerbegehren).

 

Bei einer Ablehnung des Sachanliegens im Stadtrat müsste dann ein Bürgerentscheid durchgeführt werden.

 

Der vorliegende Antrag intendiert, ein kostspieliges und langwieriges Klageverfahren Stadtrates gegen das Aktionsbündniss - als vertretungsbechtiges Verwaltungsorgan der Stadt Trier für die 4735 Unter­zeichner:innen aus der Bürgerschaft - zu vermeiden.

 

Das Ziel ist weiterhin der wahlberechtigten Bürgerschaft Triers die Möglichkeit der demokratischen Abstimmung in einem Bürgerentscheid über die Sachentscheidung „Bürgerbegehren eXhaus bleibt“ zu ermöglichen.

 

Das Ergebnis eines Bürgerentscheids ist von der Verwaltung, dem Stadtrat und den Bürger:innen an­zunehmen. Egal zu welchem Ergebnis er kommt. So kann ein Bürgerentscheid durchaus den Willen der Verwaltung oder der Mehrheit des Stadtrates entsprechen.

 

So funktioniert Demokratie …

 

Demokratie stärken durch faire demokratische Beteiligungsformen gehört zum Selbstverständnis jeg­lichen politischen Handelns.

 

(Vgl. Sachbegründung - Zusammenfassung Institut für Kommunalpolitische Beratung und Bildung (IKBB)[1]

 

Marc-Bernhard Gleißner            Jörg Johann                            Theresia Görgen

Vorsitzender Linksfraktion       Baupolitischer Sprecher      Sozialpolitische Sprecherin

 

 

 

  Dinah Hermanns            Robin Schrecklinger

     DIE FRAKTION               DIE FRAKTION

 

 

 

 

Institut für Kommunalpolitische Beratung und Bildung (IKBB)

 

ZUSAMMENFASSUNG

1.

Die Verwaltung selbst schätzt ein, dass durch ein Bürgerbegehren des § 17a GemO den Bürgern ein niedrigschwelliges Instrument an die Hand gegeben werden soll, um Einfluss auf die Politik zu nehmen und eigene Projekte anzuschieben

Demzufolge sind auch hier die Anforderungen hinsichtlich der Begründetheit nicht zu hoch anzulegen.

 

2.

Mit dem Begehren wird die Sanierung des Exzellenzhauses gefordert.

Diese Fragestellung ist zulässig, da es sich um eine städtische Immobilie handelt und damit die Zustän­digkeit der Stadt im eigenen Wirkungskreis gegeben ist (2 (1))

 

3. 

Das Begehren fordert, das Objekt nach der Sanierung durch einen freien Träger der Jugendhilfe im Rahmen der Jugendarbeit bewirtschaftet wird.

Die Fragestellung ist zulässig, da die Jugendarbeit als Bestandteil der kommunalen Jugendhilfe nach SGB VIII in die Zuständigkeit der Stadt fällt.

Zudem kann die Stadt freie Träger mit der Aufgabenwahrnehmung beauftragen. Die Beauftragung er­folgt auf Grundlage des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (SGB VIII). (2(2))

 

4.

eXhaus als Traditionsobjekt der Kultur- und Jugendarbeit.

Das Objekt kann auf 50 Jahre Tradition verweisen. Diese Tradition ist ein Indiz für Akzeptanz und Nach­frage.

Tradition als einzelnes Element ist sicherlich als Begründung für die Wiederbelebung nicht ausreichend. Andererseits stoßen Projekte/Objekte mit Tradition bei der Stadtbevölkerung auf eine wahrnehmbare Akzeptanz. Traditionen und Geschichte sind identitätsstiftend. (2 (3))

 

5.

Fehlende Kapazitäten der freien Jugendarbeit in einem sozialen Brennpunkt Tier Nord.

Sollte es im betreffenden Stadtquartier keine weiteren Angebote geben (was auch deshalb zu unter­stellen ist, weil die Stadt dies nicht widersprochen hat) wäre dieses Argument begründet und geboten.

Es soll also nicht als Ersatz-, sondern als ergänzendes Angebot realisiert werden. (2 (4))

 

6.

Nur ein freier Träger der Jugendarbeit für das gesamte Objekt

Mit diesem Bewirtschaftungsmodell wird auf die Erfahrungen der ursprünglichen Objektbetreibung aufgebaut. Die Verwaltung sieht in diesem Ein-Träger-Modell einen Widerspruch zur Beschlusslage im Stadtrat.

Im externen Gutachten ist dieser Sachverhalt auch ein Prüfungsschwerpunkt.

Die entsprechenden Beschlüsse des Stadtrates sind bereits umgesetzt oder befinden sich in der Um­setzung.

Die Trägerschaft durch mehrere freie Träger ist Folge der dezentralen Aufgabenwahrnehmung, nach­dem das Objekt „eXhaus“ geschlossen wurde.

Die „Rückkehr“ zum Objekt „eXhaus“ kann das „Ein-Träger-Modell“ wieder aufleben lassen. In der Folge muss das aktuell bestehende dezentrale Modell der Aufgabenwahrnehmung nicht abgewickelt werden (ergänzendes Angebot).

 

 

 

Das Angebot „eXhaus“ ist insofern künftig nach dem Wortlaut des Begehrens ein zusätzliches und er­gänzendes Angebot zur bestehenden aktuellen Angebotsstruktur.

Damit liegt auch kein kassatorisches Bürgerbegehren vor.

Die jetzige Struktur der Kinder- und Jugendarbeit (durch die Beschlusslage im Stadtrat geschaffen) un­terliegt zudem keiner Ewigkeitsklausel und wird ohnehin periodisch fortgeschrieben. Im Rahmen dieser Fortschreibung ist auch eine Änderung der Trägerstruktur möglich.

Insofern steht das Bürgerbegehren nicht im Widerspruch zur jetzigen Beschlusslage im Stadtrat. (2 (5))

 

7.

Stadt als Eigentümerin des Objektes, das unter Denkmalschutz steht/Stopp des Verfalls

Als Eigentümerin ist die Stadt in der gesetzlichen Verpflichtung des Erhalts des Objektes. Die denkmal­schutzrechtlichen Regelungen lassen zwar als letzte Maßnahme auch den Abbruch eines denkmalge­schützten Gebäudes zu, wenn der Eigentümer den Nachweis der Unwirtschaftlichkeit erbringt und die öffentliche Hand nicht die Kosten der Unwirtschaftlichkeit durch Zuschüsse ausgleicht, jedoch ist die Stadt hier zugleich eben öffentliche Hand und damit eben auch verpflichtet unwirtschaftliche Kosten des Erhalts zu tragen.

Somit muss die Stadt ohnehin für den Erhalt des Gebäudes sorgen. Gesetzliche Fristen hierfür gibt es allerdings nicht.

Eine Privatisierung des Gebäudes, mit dem Ziel, sich der denkmalschutzrechtlichen Verpflichtungen zu entziehen, scheidet ebenfalls aus. Auch bei einer Privatisierung muss der Erhalt verpflichtend sein, wo­bei ein privater Dritter dann einen Anspruch auf Erstattung der Kosten der Unwirtschaftlichkeit hätte. Aus fiskalischer Sicht würde insofern eine Privatisierung nicht den haushaltsrechtlichen Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit entsprechen.

Als Begründung des Bürgerbegehrens ist dieses Argument geeignet und geboten. (2 (6)und (7))

 

8.

Wiederaufnahme eines ursprünglichen Konzeptes

Dieses Begründungselement verweist auf die dynamische Fortschreibung der Angebotsstruktur im Be­reich der Kinder- und Jugendarbeit. Es stellt keinesfalls die aktuelle Struktur in Frage. Vielmehr soll bei der künftigen Fortschreibung der jetzigen Struktur das ursprüngliche Konzept des eXhauses wieder „aufleben“.

Diese Begründung schafft insofern Klarheit, dass das Begehren nicht darauf gerichtet ist, die aktuelle Struktur zu ersetzen, sondern vielmehr erst bei der Fortschreibung des ursprüngliche eXhaus-Konzept (2 (8)).

 

9.

Der Stadtrat kann sogenannte Grundsatzbeschlüsse fassen.

Derartige Grundsatzbeschlüsse bauen auf den Bedarfsbeschlüssen auf und stellen Richtungsentschei­dungen (Grundsatzentscheidungen) dar.

In solchen Grundsatzbeschlüssen kann bestimmt werden, dass ein Bauvorhaben verwirklicht wird, wer Bauträger sein soll und wer letztlich die Bewirtschaftung/Betreibung machen soll.

Alle weiteren zu klärende Fragen, einschließlich der Finanzierung sind in dieser Phase der Beschluss­fassung überhaupt nicht abschließend geklärt und können deshalb nicht Beschlussgegenstand sein.

Letztlich wird durch derartige Grundsatzbeschlüsse die Verwaltung ermächtigt, Planungen und Prüfun­gen auf den Weg zu bringen.

Wenn aber der Stadtrat derartige Grundsatzbeschlüsse fassen darf, ist dieser Entscheidungsgegenstand auch der beteiligungsform „Bürgerbegehren/Bürgerentscheid“ eröffnet. (3. Anmerkungen zu 4.2.)

 

10.

Kommunen in der Haushaltssicherung muss zudem ein Kernbereich der Selbstverwaltung verbleiben. Dies schließt auch die Hoheit über die Verwendung vorhandener Finanzmittel ein. Nicht von ungefähr erfolgt bei Kommunen in der Haushaltssicherung immer eine Einzelfallprüfung seitens der Aufsichts­behörden. Ohne diesen gesicherten Kernbereich läge ein verfassungswidriger Verstoß gegen die Grundsätze der kommunalen Selbstverwaltung vor.

Es ist zudem darauf verwiesen, dass die Umsetzung der Vorgaben aus dem SGB VIII auch dem pflichti­gen Selbstverwaltungsaufgaben zuzurechnen ist. (3, Anmerkungen zu 4.2.1.)

 

11.

Das beauftragte externe Gutachten wirft mehr Fragen auf anstatt Rechtsfragen zu klären.

Grundaussagen:

1.

Bürgerbegehren tendenziell unzulässig, aber Zulässigkeit nicht gänzlich ausgeschlossen

2.

Zwei Fragestellungen, die einen kausalen Zusammenhang haben, sind zulässig

3.

Hinreichend bestimmte Formulierung in Bezug auf die geforderte Trägerschaft beinhaltet.

4.

Strenge Anforderung an den Nachweis der Unbestimmtheit

5. 

Begründungserfordernis des § 17a Abs. 3 Satz 2 GemO ist gegeben

6. 

Kassatorisches Bürgerbegehren

7.

Stadt hat denkmalschutzrechtliche Pflichten

 

Außer Nr. 6 hält der externe Gutachter den Antrag für zulässig.

 

12.

Die Leitsätze aus Beschluss Oberverwaltungsgericht Koblenz, vom 05.01.2022, AZ:10 B 11526/21. OVG sind nicht hinreichend für eine Ablehnung des Bürgerbegehrensantrages wegen Unzulässigkeit