Neue qualifizierte, valide und repräsentative Elternbefragung zur ganztägigen Förderung durchführen

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

wir bitten Sie, den Antrag „Neue qualifizierte, methodisch gesicherte Bedarfserhebung zur ganztägi­gen Förderung durchführen“ - in der Stadtratssitzung am 01.02.2023 zu behandeln.

Der Stadtrat möge beschließen:

Die Verwaltung wird beauftragt eine neue methodisch gesicherte und inhaltlich ausgewogene Eltern­befragung durchzuführen, die eine valide Ermittlung des ganztägigen Förderungs-/Betreuungsbe­darfs von Eltern/Sorgeberechtigten für ihre Kinder ab dem Schuleintritt - gegenwärtig und zukünftig - in Trier gewährleistet.

Begründung:

Aufgrund folgender Mängel können die Ergebnisse der im Januar 2023 durchgeführten Elternbefra­gung nicht als valide Bedarfserhebung und Grundlage des weiteren Monitorings bei der Umsetzung des Gesetzes zur ganztägigen Förderung von Kindern im Grundschulalter (Ganztagsförderungsgesetz - GaFöG) anerkannt werden.

Beispielhaft werden im Nachfolgenden Gründe aufgeführt, die z.T. gegen die Gütekriterien bei reprä­sentativen Erhebungen verstoßen. Jede Erhebung muss objektiv sein, d.h. so sachlich und neut­ral wie möglich ausfallen, unabhängig von Einstellungen, Meinungen und Intentionen der Er­hebenden. Damit eine Erhebung sollte so verlässlich sein, dass sie unter gleichen Bedingun­gen mit derselben Zielgruppe das gleiche Ergebnis erzielen würde.

Zur Methodik der Erhebung:

Im Gegensatz zu einer postalischen Befragung kann bei dem hier verwendeten Open-Source-Verfah­ren „LimeSurvey-Online-Befragung“, bei Erhalt des QR-Codes/Links jede/r beliebig oft den Fragebo­gen auch mit Fantasie-Angaben ausfüllen. Diese Möglichkeit der Mehrfachbeantwortung des Frage­bogens war grundsätzlich von der Verwaltung Sorgeberechtigten mehrerer Kindern so intendiert, wie der folgende Hinweis auf dem Fragebogen belegt: „bitte ggf. pro Kind einen eigenen Fragebogen aus­füllen“

Eine Gewähr, dass nur die von den Kindertageseinrichtungen und Schulen angeschriebenen El­tern/Sorgeberechtigten durch eine individualisierte Abfrage nur einmal am Erhebungsverfahren teil­nehmen können, war nicht gegeben. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Missbrauch des Verfahrens stattgefunden hat und die Ergebnisse verfälscht sind. Der von der Verwaltung versendete QR-Code bzw. der Link konnte an beliebige Empfänger:innen ohne Problem weitergeleitet werden.

Zielgruppe der Erhebung durch die Stadt Trier waren die Sorgeberechtigten/Eltern mit Kindern der letzten beiden „Vorschuljahre“ sowie den ersten beiden Klassen der Grundschule.

Nicht alle Eltern der von der Verwaltung definierten Zielgruppe erhielten die Möglichkeit, an der Be­fragung teilzunehmen. Die Repräsentativität der Befragung wird dadurch angezweifelt.

Die Bedarfserhebung hätte, da in die Zukunft gerichtet, die Zielgruppe größer fassen müssen. Sorge­berechtigte jüngerer Kinder hätten mit einbezogen werden müssen. Da die Erhebung den Bedarf für die Umsetzung des Rechtsanspruches des Ganztagsförderungsgesetzes nach 2026 darstellen soll, wird auch durch diesen Mangel die Repräsentativität der Erhebung in Frage gestellt.

Zudem wäre eine Einbeziehung von Sorgeberechtigten Eltern älterer Kinder, die auch nach dem Wechsel zu einer weiterführenden Schule eine ganztägige Förderung wünschen, notwendig gewesen, wenn schon eine städtische Bedarfserhebung durchgeführt wird.

Die Befragung war nur zweisprachig (deutsch/englisch) an die Eltern versendet worden. Das An­schreiben nur in deutscher Sprache. Es ist üblich bei Erhebungen zumindest in einem vielsprachigen Anschreiben bzw. mit einem vielsprachigen Hinweis im Anschreiben, nicht deutsch-/englischspre­chenden Sorgeberechtigten Unterstützungs-/Übersetzungsmöglichkeiten anzubieten.

Zum Inhalt der Befragung:

Es ist üblich, dass vor Erhebungen eine umfängliche Information der Teilnehmer:innen durchgeführt wird - oft auch in der Form einer Auftaktveranstaltung. Aus den Rückmeldungen der Eltern ist zu ent­nehmen, dass diese sich nicht ausreichend über die Inhalte der Befragung informiert fühlten. Vor al­lem seien die Informationen zur Ganztagsschule in Angebotsform, wie eine „black box“ gewesen. Viele Eltern sahen sich außer Stande, eine individuelle als auch generelle Meinung bzw. Entscheidung zu äußern, ohne mehr über die Gestaltung, Rhythmisierung, Freizeit-/Lernangebote, Personalisie­rung, Qualifizierung der pädagogischen Fachkräfte bzw. des pädagogischen Personals, Lehrkräfte, Gruppengröße, Personalschlüssel, Flexibilität bei den Nutzungszeiten, Möglichkeit der tageweisen Nutzung etc. der verschiedenen Ganztagsangebote zu wissen. Unter anderem auch aus diesem Grund haben manche Sorgeberechtigte/Eltern nicht an der Befragung teilgenommen.

 

Fazit: Ein qualifiziertes Ergebnis einer Erhebung setzt eine qualifizierte Information der Befragten vo­raus. Bei einer neuen Erhebung muss eine umfängliche Information der Befragten vor der Erhebung stattfinden.

Da üblicherweise Bedarfserhebungen vor der Errichtung von Ganztagsschulen über das Amt für Schu­len und Sport laufen, erscheint es sinnvoll, die neue Erhebung über eine Kooperation beider Ämter zu entwickeln.

Es ist auch gängige Praxis den Befragten bei Betreuungserhebungen (vgl. Erhebungen zur Betreuung der „unter dreijährigen Kinder) „die Möglichkeit zu geben, zwischen generellen und aktuellen Förde­rungs-/Betreuungswünschen zu unterscheiden. Dieser Grundsatz wurde nicht durchgängig berück­sichtigt.

Bei einigen Fragen ist der Erhebungszweck im Fragebogen nicht deutlich zu erkennen. Aufschluss darüber können die Teilnehmer:innen, Stadträt:innen, Schulen/Träger/Einrichtungen und interessier­ten Bürger:innen erst erlangen, wenn die Auswertungsmethodik und die Ergebnisse vorgestellt wer­den. Anderen Fragen hingegen scheinen erwünschte Antworten zu implizieren.

Eine Doppelfragestellung enthält zwei voneinander unabhängige Fragen, die nur unabhängig vonei­nander hätten gestellt werden müssen, da die Antworten auf die Einzelfragen unterschiedlich ausfal­len können.

Ungeachtet der oben beschriebenen Mängel wird darauf hingewiesen, dass den zuständigen Aus­schüssen, trotz Zusage der Verwaltung, unter dem von der UBT beantragten Tagesordnungspunkt „Bedarfserhebung“ im DA-II-Ausschuss am 07.12.22, der Erhebungsfragebogen nicht vorab zur Kenntnis gegeben wurde, sondern erst am 21.12.2023 als der Erhebungsbogen an alle Kindertages­einrichtungen und Grundschulen versendet worden war. Dadurch war es den Ausschussmitgliedern nicht möglich, über Nachfragen und konstruktive Rückmeldungen, Einfluss auf die Bedarfserhebung und ggf. Fehler zu vermeiden.

Auch für viele Eltern/Sorgeberechtigten war die Erhebung Anlass, wegen inhaltlicher, methodischer und organisatorischer Mängel Kritik zu üben. Einige hat dies dazu bewogen, in Schriftform eine be­gründete Beschwerde bei der Verwaltung einzulegen. Andere haben aus Ärger über die Unzulänglich­keiten an der Befragung gar nicht erst teilgenommen und der Stadtelternausschuss startete selbst eine Umfrage zur gleichen Thematik.

Wir bitten deshalb - auch im Interesse der betroffenen Eltern und Sorgeberechtigten - diesem Antrag zuzustimmen.

Mit freundlichen Grüßen

 

 

Marc-Bernhard Gleißner                        Theresia Görgen

  Fraktionsvorsitzender                   Sozialpolitische Sprecherin  

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