Rede zum Doppelhaushalt der Stadt Trier

Theresia Görgen

„Die Gemeinden sind der eigentliche Ort der Wahrheit, weil sie der Ort der Wirklichkeit sind.“[1] In den Kommunen trifft die „schwarze NULL“ des Bundes und die Schuldenbremse des Landes direkt auf die Büger*innen.

Denn - ob und wann Schultoiletten saniert werden, wann eine Straße saniert/erneuert wird oder das pädagogische Konzept einer Kindertagesstätte wegen „personeller Umstrukturierungen“ umgestellt werden muss, erfahren die Menschen einer Stadt unmittelbar dann, wenn es sie betrifft. Wir reden heute über einen weiteren bitteren Sparhaushalt, über die sogenannten Sachzwänge, über die Genehmigungsfähigkeit des vorgelegten Haushaltes durch die Kommunalaufsicht.

Denn - verfassungswidrig unterlassene Finanzausgleichzahlungen durch Bund und Land treffen auf die Gemeinde, auf die Stadt, auf Trier. Die strukturelle Unterfinanzierung gesetzlicher Pflichtaufgaben ist eine wesentliche Ursache für die Überschuldung Triers und für die Tatsache, dass die verfassungsmäßig garantierte kommunale Selbstverwaltung akut gefährdet ist. Den Kommunen werden zusätzliche Aufgaben ohne vollständige Kostenerstattung übertragen. Deshalb steigen die unmittelbaren und mittelbaren kommunalen Defizite und deshalb ist Trier faktisch insolvent. Die rheinland-pfälzische Verfassung verpflichtet sich sehr konkret in Art. 49 (6): „Das Land hat den Gemeinden und Gemeindeverbänden auch die zur Erfüllung ihrer eigenen und der übertragenen Aufgaben erforderlichen Mittel im Wege des Lasten- und Finanzausgleichs zu sichern. (...)“ Dieser Fürsorgepflicht kommt das Land Rheinland-Pfalz nicht nach.

Die Überschuldung Stadt, der schleichende Niedergang wird mit den Einsparungen, die uns mit diesem Haushalt vorgelegt wurden, nicht aufzuhalten sein. Machen wir uns doch nichts vor, die Lage Triers ist perspektivlos und wird es auch bleiben, weil der vorgeschriebene Konsolidierungskurs des „Kommunalen Entschuldungsfonds“ weiterhin eine fruchtbare, menschenfreundliche bzw. menschenwürdige, nachhaltige und sozial gerechte, zukunftsweisende und  innovative Stadtentwicklung verbaut. Wir sehen, Entschuldigung Herr OB Leibe im Gegensatz zu Ihnen auch nach 2026, nach den Jahren des Spardiktats keine Perspektive und keinen Zuwachs an Gestaltungsfreiheit.

Nach Ansicht der kommunalen Spitzenverbände konsolidiert Rheinland-Pfalz seinen Haushalt auf Kosten von Städten, Gemeinden und Kreisen. Das ist Fakt und wird so in zahlreichen Studien nachgewiesen (Bertelsmann, Hans-Böckler-Stiftung, Stellungnahme Städtebund RLP). Der „Kommunale Entschuldungsfonds“ (KEF) war von Anfang an eine halbherzige zum Scheitern verurteilte Maßnahme der Landesregierung. Das Ziel einer nachhaltigen Entschuldung der Stadt Trier kann nicht erreichen. Der Anstieg der Kassenkredite steigt eklatant an. So musste im Haushaltplan 2019/20 der Höchstbetrag der Kredite für Liquiditätssicherung aufgrund der prognostizierten Defizite auf 650.000.000 Euro angehoben und neu festgesetzt werden. Schon leichte Veränderungen im Zinsniveau führen zum Kollaps. Auch bei strenger Haushaltsdisziplin, so die Verwaltung schon vor einigen Jahren,  wird es nicht möglich sein, eine Netto-Tilgung des Liquiditätskreditbestandes zu realisieren. Das sehen wir genau so!

DOCH “Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren.” [2]

Dem hier vorliegenden Haushalt fehlt das Kämpferische, die Perspektive, der Widerstand. Zieht eure gelben Westen an und wehrt euch!

Die Linksfraktion erwartet, dass Trier um einen anderen besseren Haushalt kämpft,  deutlich und laut gegen die Landesregierung seine Stimme erhebt, WIDERSTAND leistet um Perspektiven zu sehen. Der deutsche Städtetag ist sich einig, dass hoch überschuldete Städte ohne Schuldenerlass

Richtigerweise versucht Trier mit einer Erhöhung der Einnahmen in geringem Umfang Gestaltungspotentiale im kommunalen Handeln zu schaffen.

Gegen eine Stärkung der Einnahmenseite, haben wir als Linksfraktion grundsätzlich nichts einzuwenden. Jedoch nicht auf Kosten der Bürger*innen. Wir sprechen uns deshalb an dieser Stelle explizit gegen die Erhöhung der Grundsteuer B aus, weil diese auch bei den Mieter*innen über die Nebenkosten umgelegt wird und somit alle privaten Haushalte in Triers direkt betrifft. Die Erhöhung des Hebesatzes für die Gewerbesteuer hingegen begrüßen wir. Im bundesweiten Vergleich liegt dieser in Trier weit unter dem Bundesdurchschnitt, sodass hier durchaus Spielraum nach oben gewesen wäre. Eine Belastung der privaten Haushalte hätte man damit vermeiden können.

Teilhaushalt Dezernat II:

Schon bei der Beschlussfassung der Eckwerte im Frühjahr dieses Jahres hatte die Linksfraktion ihre Zustimmung verweigert, weil diese bei dem Potential an notwendigen Aufwendungen nicht einzuhalten sind. Der vorliegende Haushalt belegt, dass die Abweichungen der Eckwertevorgaben für die Haushaltsjahre von 2019 bis 2022 in der Summe auf ca. 60 Millionen Euro eingeschätzt werden. Bei der Analyse durch die Ämter der ursprünglich im Oktober prognostizierte Überschreitung der Eckwerte des DA II  um ca. 7 Millionen wurde deutlich, dass es kaum Einsparpotentiale gab, weil die Unterfinanzierung der kommunalen Ebene bei der Erfüllung der gesetzlichen Pflichtaufgaben, insbesondere im Bereich der Sozialleistungen, große Kürzungen verhindert.

 

Jedoch fand man im sozialen Bereich Potentiale und der Etat wurde Anforderungen des Konsolidierungspfades angepasst. Exemplarisch seien hier einige Beispiele aufgeführt:

Aus dem Teilhaushalt Jugend, Familie und Gesundheit wurden durch „personelle Umstrukturierungen“ im Bereich der Kindertagesstätten Einsparungen von ca. 2 Millionen erzielt. Die personelle Ausstattung der Kindertagesstätten  wurde angepasst, sodass weniger pädagogische Fachkräfte bei gleichbleibender Kinderzahl zur Verfügung stehen. Statt Perspektiven zu schaffen, werden Chancen verbaut. Anstelle personeller Verbesserungen mit der Gewissheit, dass langjährige gute pädagogische Konzepte beibehalten und weiterentwickelt werden können, dass jedes Kind seinen Anspruch auf gute Bildung, Erziehung und Betreuung einlösen kann und die pädagogisch Beschäftigten die Umsetzung dieses Anspruches nicht mit ihrer Gesundheit bezahlen müssen, werden Rückschritte geplant, während gleichzeitig auf Bundesebene das GUTE-KITA-Gesetz beschlossen wird, denn Qualität und Zukunft hat ihren Preis!

Für die Jugendarbeit bleiben die Aufwendungen für die Jahre 2019/20 bei nur 5 % des Teilhaushalts und einer Summe von ca. nur 4,5 Millionen Euro eingefroren. Wir stellen fest, Jugendarbeit spielt in Trier weiterhin von den eingeplanten Ressourcen her eine sehr untergeordnete Rolle. 

Noch weniger, d.h. lediglich 1 % des Teilhaushaltes - knapp 1,3 Millionen Euro werden für die Einrichtungen und die Beratung von Familien, Jugend und Frauen eingestellt. Wie will Trier z.B. die Umsetzung der Istanbul-Konvention gegen „häusliche Gewalt“ wirksam vorantreiben, ohne mehr Mittel dafür einzustellen?

Dieser Teilhaushalt zeigt sehr deutlich, ausgewiesenen Fehlbeträge von lediglich ca. 56 Millionen für 2019 und von 55,6 für 2020 zeigen deutlich auf, dass in dem Haushalt „Jugend, Familie und Gesundheit“, dort wo keine gesetzliche Pflichtaufgaben bestehen,  werden Einsparpotentiale an anderen Stellen umgesetzt. Sparen auf Kosten der Bürger*innen, der Kinder und der Jugend lehnen wir konsequent ab!

Auch im Teilhaushalt Schulen und Sport wurden nicht die Mittel eingestellt, die notwendig sind. So ist der Investitionshaushalt gemessen an den tatsächlichen Investitionsbedarfen der Trierer Schulen viel zu kurz gefasst. Wir vertreten  die Auffassung, dass schulische Sanierungs- und Modernisierungsaufgaben in einem städtischen Haushalt mit oberster Priorität behandelt müssen. Schultoiletten, Barrierfreiheit, WLAN, Mensen, Energieeffizienz u.v.m. sind nur einige Bedarfe, die nicht in 3, 4 oder 8 Jahren sondern zeitnah umgesetzt werden müssen. Der Bereich „schulische Betreuungsmaßnahmen, für den lediglich ca. 11 % eingestellt wurden, ist im Hinblick des stark gewachsenen gesellschaftlichen Bedarfs unter dem Aspekt der Qualitätsentwicklung/-sicherung erheblich unterfinanziert.

Die geplanten Aufwendungen im Haushaltsplan für städtisches Wohneigentum sind erschreckend gering. Ich teile Herrn Oberbürgermeister Leibes Einschätzung: Auch ich schäme mich, dass Trierer*innen in städtischen Wohnungen wohnen, die teilweise unwürdig sind. Unabhängig von der Gründung einer Wohnungsbaugesellschaft, die vermutlich im Planungszeitraum dieses Haushalts noch nicht mit den Sanierungen der Wohnungen beginnen wird, hätten müssen Gelder bereitgestellt werden, der Unwürdigkeit dieser Wohnungen sofort ein Ende zu setzen. Mit ca. 620 Wohnungen ist der Anteil an städtischem Wohnraum in einer Schwarmstadt mit ausufernden Mietpreisen zu gering. Es ist ein Gebot der Stunde in diesem sich aufheizenden Wohnungsmarkt in Trier den Anteil an städtischem Wohnraum zu erhöhen, der bezahlbar ist und auch dann bezahlbar bleibt, wenn die Mietbindungsfristen der Förderprogramme auslaufen.

Diesen klaren Handlungsaufforderungen steht jedoch ein Haushaltsplan gegenüber, der für das Wohnumfeld Trierweilerweg gerade mal 193 000 Euro (3%) eingestellt hat. Wir wissen, das Wohnumfeld wird im Rahmen des Landesprogramms SOZIALE STADT saniert. ABER! Ich frage Sie, kennen sie die Wohnungen? Denn bevor über diesen (Teil-)Haushalt abgestimmt wird, sollte jeder wissen, worüber er/sie abstimmt. Auch für ein WEITERSO dieser Wohnungen. Der Ansatz für Investitionen in städt. Wohnungen enthält für das Jahr 2019 eine geringe Steigerung der Investitionen, die jedoch bei weitem nicht ausreicht, und im Ansatz 2020 und im Plan 2021 steil abfällt.

Für die Linksfraktion ist der vorgelegte Haushalt nicht annehmbar, weil  er in Teilbereichen soziale Kälte dokumentiert, perspektivlos und ohne Widerstand ist. Wer nicht kämpft, hat schon verloren!

Wenn Zukunft eine Perspektive ist, dann sollte man in der Gegenwart damit beginnen, sie zu gestalten.

Sir Francis von Verulam Bacon (1561 - 1626), englischer Philosoph, Essayist und Staatsmann, entwarf die Methodologie der Wissenschaften

„Ich, Bertolt Brecht, bin aus den schwarzen Wäldern. Meine Mutter trug mich in die Städte hinein. Als ich in ihrem Leibe lag. Und die Kälte der Wälder. Wird in mir bis zu meinem Absterben sein.“[3]

 


[1] Hermann Schmitt-Vockenhausen (1923-79), dt. Verleger, Jurist u. Politiker)

[2] Berthold Brecht

[3] aus Berthold Brecht: Gedicht vom armen B.B.)